Dienstag, 24. Juni 2014

Tag 023: Flower Power

Der frühe Vogel fängt den Wurm und so geht es bereits kurz nach 6:00 zum Frühstück auf der Gailberghöhe und um kurz nach 7:15 geht es hinein ins Ungewisse: Trotz passender Landkarte und dem offiziellen Führer zum Gailtaler Höhenweg ist an einem Tag zurücklegbare Strecke und vor allen Dingen Übernachtungsmöglichkeit völlig unklar - von den fraglichen Wegverhältnissen ganz zu schweigen.
Auf den nächsten 5 Etappen des Gailtaler Höhenwegs soll mich nun die 229 leiten.
Los geht es mit gut 1000 Aufstiegsmetern via Auf der Mussen bis zur Mussenhöhe. Die Waldgrenze wird hier künstlich niedrig gehalten und das Naturschutzgebiet ab und an zur Landschaftspflege gemäht, um eine Verbuschung zu verhindern. Das Areal zählt wohl zu Kärntens Bergblumen-Eldorados.
Interessant dabei ist, daß da oben absolute Wassetarmut herrscht und vermutlich sehr unterschiedliche Böden dort verteilt sind, da sich immer Cluster unterschiedlicher Blumen- und Pflanzenarten ausprägen, so daß es an einer Stelle zwar nicht so viele unterschiedliche Arten gibt, die Zusammensetzung sich aber immer wieder stark verändert.
Am Gipfel treffe ich drei ältere Herren (und einen Frosch in der Dose), die allerdings nicht so viel Zeit wie ich haben: Weder gerade im Augenblick, da räumen sie mir ihren Brotzeitplatz, als auch ganz generell, z.B. für eine Mehrtageswanderung.
Rentner halt. - Da kann man ja manchmal froh sein, noch berufstätig zu sein - also so im Prinzip ;-)


Die junge Hirtin im Abstieg rät mir bei Siglinde auf der Schartenalm im Stadel zu übernachten. Etwas ähnliches hatte auch schon die Hotelchefin am Morgen angedeutet. Allerdings ist es gerade mal Mittag und bei ihrer pauschalen Antwort "viel zu weit" auf meine Frage nach der Entfernung/Gehzeit nach Tuffbad schrillen bei mir die Peter-Alarmglocken. Wie hatte er so schön gemeint, alles was weiter als 3-4 Gehstunden entfernt ist, ist für die meisten Einheimischen quasi in einer anderen Welt, einer anderen Dimension, einfach unvorstellbar zu erreichen.
Die Schartenalm ist privat und der Bauer mit einem Helfer gerade da, um Sachen für die beginnende Almsaison zu richten.
Da ich mit Bier bzw. Radler auch alkoholfrei nicht warm werde, staube ich etwas Zitronenkonzentrat für ein Glas Wasser mit Geschmack (ah, erfrischend) und nützliche Infos vom Bauern ab: Bis zur La(c)kenalm sind es weniger als 6h, dort könne ich übernachten (ist er nämlich auch schon so gegangen) und eine Wegbeschreibung für heikle Stellen gibt es obendrein dazu. Sehr freundlich !

Also auf in die zweite Etappe ...


Zum Joch an der Tscheltscher Alpe sind es gleich mal 600 weitete Anstiegsmeter, aber die Probleme beginnen erst danach.
Die völlig fehlenden Markierungen sind kein Problem, aber bereits der völlig weglose Steilhangabstieg zum Milnazensattel ist abenteuerlich und so richtig heikel werden dann die endlosen Steilquerungen mit abgebrochenem bzw. verschwundenem Weg.

Als ich aus dem Hang rauskomme und auch mal wieder mit dem rechten Fuß talwärts gehen kann mache ich 3 Kreuze und bin froh, all die Zweifler unterwegs mal wieder ignoriert zu haben: Die steifen sollen und das giftige Profil meiner bedingt steigeisenfesten Bergstiefel haben mal wieder ganze Arbeit geleistet.

Das Ziel Lackenalm kommt näher. Nach Tuffbad quer abzusteigen wäre zwar auch kein Problem, allerdings gibt es im Gasthof dort keine Zimmer mehr und beim Wellnesshotel (die sich auch den Gasthof einverleibt haben) geht die Nacht für eine Person bei ca. 170 EUR los. Nun, alles hat seinen Preis - aber meiner ist dies nicht.

An der Lackenalm sitzt die Familie gerade mit Kindern, Freunden und den Hunden bei der Brotzeit als ich gegen 18:00 ums Eck biege.
Offiziell übernachten ist nicht. Vielleicht hätten sie mich ja sogar trotzdem aufgenommen, aber da bisher nur die Pferde und noch keine Kühe oben auf der Alm sind, fahren sie ins Tal.
Aber Ingrid & Co sind total nett, herzlich und gastfreundlich: Erstmal denn großen Rucksack runter nehmen, hinsetzen, was trinken, bei der Brotzeit ordentlich zugreifen und dann findet sich für alles eine Lösung ...
Ich mache, wie mir geheißen.
1 Liter Holundersirup mit Wasser, Brot mit Speck, Salami, Gurke, Paprika, Pepperoni, ... ein paar nette Gespräche und Ingrid hat einen Plan: Die Kinder haben morgen Schule und sie fährt sie bald ins Tal, sie hat eine günstige und logistisch für den Weitermarsch praktisch liegende Pension kontaktiert und wird mich dort abliefern. Da mir dies mehr Aufstiegsmeter und mehr Entfernung am nächsten Tag beschert buche ich es auch noch unter meinem Fortbewegungsansatz "by fair means".
Für die Brotzeit und die Getränke weigert sich Ingrid dann auch noch, etwas zu nehmen. Solch spontane und herzliche Gastfreundschaft habe ich schon SEHR lange nicht mehr erlebt.

Auch das ist Kärnten ! Und wer bisher dachte von Mitteleuropa aus gesehen, wäre Australien oder dergleichen am anderen Ende der Welt, der sei eines besseren belehrt:
Von Ferlach/Kärnten ist das andere Ende der Welt die Lackenalm bei St. Lorenzen/Kärnten (siehe Tag 011).


Vielen herzlichen Dank an Ingrid und Familie und man sieht sich immer zweimal im Leben ...





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