Donnerstag, 17. Juli 2014

Tag 046: Hungriger Spurenleser

So schlimm wie erwartet war die Nacht auf dem Betonboden gar nicht: Zwar öfter aufgewacht, aber nicht gefroren, bis kurz vor 6:00 durchgehalten und gar nicht mal gerädert, ob der unbequemen Schlafstatt.

Zeitig geht es heute somit auf den Weg gen Westen in ein kleines Seitental hoch zu einem Hochtal mit jeder Mene Seen und einer ganzen Reihe von verrammelten Almhütten. Das Wetter ist (typisch Vormittag) herrlich und die einsame Landschaft grandios.

Nur der in der Karte, im GPS und in der Via-Alpina-Beschreibung vermerkte Weg ist wohl maximal mit vereinzelten Steigspuren zu charakterisieren. Immerhin meine ich in einer steilen Rinne auf halber Höhe einen Farbklecks auszumachen und die Richtung paßt gemäß GPS.

Am Vortag hatte ich Motivations-technisch gerade noch durch Kartenstudium rechtzeitig festgestellt, daß nicht nur die Via-Alpina-GPS-Tracks eine Farce sind, sondern ab und an auch die Höhenmeterangaben. Die 2000 Aufstiegsmeter sind einfach unglaubwürdig - am Ende des Tages wird das GPS 1100 Aufstiegsmeter anzeigen, bei ca. 1000 m Höhendifferenz sehr plausibel.


Nach einem weiteren See, geht ein Steig durch eine Felswand und danach offenbart der Blick nach oben die nächste Herausforderung: Um in eine sehr steile, Steinschlag-gefährdete Rinne zu kommen, ist ein großes, steiles Schneefeld direkt bis zum Eingang der Rinne hochzusteigen. Nach 45 Tagen habe ich von solchen Schneeoperationen aber gerade mal die Nase voll und klettere stattdessen abenteuerlich durch Felsen und Gebrösel schräg nach oben, um mit fünf Meter Schneefeldquerung direkt in den Weg der Rinne einzuqueren.

Dort hält kaum ein Stein auf dem anderen bzw. dem lockeren Boden und so glaube ich in der Anstrengung bis kurz vor dem Ausstieg aus dieser Passage schon fast an Halluzinationen, als ich erst einen blauen Rucksack vor mir oberhalb sehe und dann wieder nicht mehr. Vor mir kann niemand aufgestiegen sein, den hätte ich gesehen.
Die Auflösung kommt in den Felsblöcken im Übergang zu flacherer Passage mit Schneefeldern bzw. Felsen bis zum Vermolerajoch: Ein italienisches Pärchen will meinen Aufstiegsweg im Abstieg gehen (nicht zu beneiden !) und als eher vorausgehend mich sah, ist er nochmal zurück, um auf mich zu warten und keine Steinschläge zu provozieren. Das ist aber nett !

Am Übergang treffe ich einen 68-jährigen Italiener im Fleecepulli samt Frau und Hund. Obwohl es erst 11:30 ist, sind schon wieder dunkle Wolken aufgezogen und es ganz schön kalt geworden.
Nichtsdestotrotz unterhalten wir uns bestimmt fast eine halbe Stunde auf Englisch, er zeigt mir Videos und Fotos von Bergtouren der letzten Tage, teilweise auch aus Gebieten, wo ich auch unterwegs war, auf seinem Smartphone und schwärmt von Deutschland als Radel-Destination. Dresden-Hamburg, bayerische 5-Flüsse-Tour, Mannheim-Cuxhaven, ... er ist sehr viel mit seiner Frau dort unterwegs - und die verrückten deutschen Radler quälen sich dafür über die Berge zu Garda oder Comer See. Mmmh, vielleicht sollte ich die Deutschland-Tour doch mal zu Fuß gehen ? ;-)
Die Fitness, der Elan und vor allen Dingen die jung gebliebene Lebensfreude und aufgeschlossene Kommunikation nötigen mir jedenfalls großen Respekt ab. Chapeau !

Beim Abstieg in das Sacco-Tal fluche ich dann allerdings immer lauter über die Italiener: Immerhin ist dies ja auch Teil des Sentinero Italiano SI, aber auf den flachen, sumpfigen Hochflächen zwischen Übergang und Pian del Lago verlieren sich Spuren völlig, wobei hier wahrscheinlich schon 5 einfache Holzpfähle für die nächsten 10 Jahre alle Orientierungsprobleme ad-acta legen würden.

Dank GPS und Ignoranz gegenüber irreführenden Steinmännern (die in Italien aber im Vergleich sowieso eher als Kinder zu bezeichnen sind), komme ich letztlich nach einem Haken doch wieder auf den richtigen Weg und letztlich zum ziemlich neu und gepflegt aussehenden Rifugio Malghera.

Den Koch dort störe ich zwar gerade an seinem I-Book, aber die korpulente Gestalt, sein Job und vor allen Dingen seine Englisch-Kenntnisse sollten mir sehr entgegen kommen.
Ich skizziere ein schauriges Eita-Erlebnis und daß ich seit 1,5 Tagen nichts mehr richtiges zu Essen hatte (die zwei süßen Energieriegel und ein paar Cashewkerne kann man ja nicht als Essen rechnen und doch können sie einen retten, Peter ! - Also weiterhin auch unter Vermeidung für den Fall der Fälle dabei haben !). Umgehend bekomme ich noch vor der Dusche zwei Mega-Salami-Sandwiches und Kuchen, der bei der Abrechnung am nächsten Tag auch noch aufs Haus geht.


Neben mir ist noch eine größere Gruppe Jugendlicher vor Ort, welche mir drei wichtige Erkenntnisse offenbart:

1. Es braucht nur halb so viele Italiener um den gleichen Lärmpegel wie die Innsbrucker auf der Sattelalm zu erreichen.


2. Trotzdem geht es ungleich gesitteter (man betrachte nur mal die Ordnung der Schuhe im Gang) und höflicher zu: Einer der älteren spricht mich pro-aktiv auf Englisch an, ob ich (nun erstmal satt und zufrieden) auch Duschen möchte, und zieht dann umgehend einen der jüngeren auf dem Weg zur Dusche aus dem Verkehr, denn einer sei schnell fertig und die Gruppe könne anschließend gehen.

3. Als ich gegen 21:00 gen Zimmer schleiche herrscht noch großer Trubel und man sammelt sich mit Taschenlampen. Fortan habe ich nichts mehr gehört. Entweder hat die potentielle Nachtwanderung den Kids die nötige Bettschwere verpaßt oder der Generatoreffekt hat mich immunisiert. Egal ! ;-)


1 Kommentar:

  1. Hallo Peter.

    Aha, 2 Riegel, d.h. 1 für Dich und 1 für die Freundin ? ;-)

    Immerhin werdet Ihr ja in einer Gegend mit sehr guter Infrastruktur unterwegs sein und im August wird da am Karnischen Höhenweg einiges los sein, könnte ich mir vorstellen.

    Danke für den Link zu Deinem Blog, dem zäh kann ich vielleicht zustimmen, das sportlich weise ich natürlich weiterhin weit von mir.

    Gestern übrigens auch mal wieder 10h unterwegs gewesen und heute steht noch so eine Peter-Etappe an :-)

    Grüße aus Graubünden, Kai.

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