Donnerstag, 17. Juli 2014

Tag 047: Eine Frage der Moral

Eine lange Etappe steht an: Mit mehr als 8 h veranschlagt und letztlich knapp 27 Kilometern geht es heute eigentlich in die falsche Richtung: SüdOST - eigentlich will ich ja noch nach Westen, aber die Via Alpina vollzieht hier quasi eine Schleife, bevor es demnächst dann mehr durch die Schweiz geht.

Angenehm an der Etappe: Man bewegt sich die ganze Zeit zwischen 1800 und 2400 Metern, läuft meist am Hang entlang, Seitentäler müssen nur im Ansatz ausgelaufen werden und die Strecke verläuft abwechslungsreich durch Wald, Buschwerk und Weide-/Felsgebiet oberhalb der Baumgrenze, zwischendrin kommt man immer mal wieder an Almen vorbei, die aber meist gerade nicht besetzt sind.

Bei meiner Mittagspause kommt eine italienische Familie vorbei und die Frau - als letztes gehend - stellt mir ein paar Fragen, die ich sogar mal auf italienisch beantworten kann, was später, als ein älterer Herr über seinen Schmuggel von Zigaretten und Kaffee in den 50ern aus der Schweiz mit mir fachsimpeln will, schon ungleich schwieriger wird.


Auf dem Weg zur Salina-Alm sind Hangabrutschungen und andere typische Lawinenfolgen bzw. deren Beseitigung per Säge zu erkennen. Prima, denke ich mir, wobei der Weg trotzdem nicht gerade als optimal FAHRbar selbst für gute Biker zu bezeichnen ist. Die beiden fluchen auch ein wenig, ob der heute bereits hochgestrampelten Meter, schließlich müsse es ja auch mal abwärts gehen. Tendentiell logisch, bis zu gut fahrbarem Weg haben sie aber noch ein Stück.


Ich dagegen fluche ein Stück nach der Alm: Der sog. Weg sieht aus wie eine dichte Nachbarschaftshecke. Auf dem eigentlichen Weg kann man gar nicht mehr gehen, sondern man tänzelt entweder auf einzelnen Grasbüscheln und Steinen am Abgrund entlang oder schlägt sich mittig durch die Büsche, in der Hoffnung, daß dort wo man nichts sehend hintritt schon kein Loch oder dergleichen Haxen-brechendes sei. Hier war schon Jahre niemand mehr mit der Säge unterwegs.
Oberhalb der Baumgrenze ist der Spuk vorbei und in ein paar Wegserpentinen geht es zur Bergschulter La Forcoletta hoch.
Hier ist plötzlich die Hölle los. Jede Menge Menschen.
Aha, auf direktem Weg sind es nur 20 min zur Schiazzera-Hütte.

Auch wenn mir dieser Weg nahegelegt wird, wähle ich denn doch die 120 min Variante, die noch eine Schleife durch das Tal auslaufend, am Lago Schiazzera vorbei macht, denn das Wetter sieht noch stabil aus, ich bin erst seit 6 h unterwegs und fühle mich noch gut. Nach nun mehr als 1000 Kilometern zu Fuß unterwegs außerdem eine Frage der Ehre und Moral :-)

Einzig die Menge an Leuten zu fortgeschrittener Zeit hier oben gibt mir zu denken, ist doch auf keinem Schild außer der Hütte ein Ziel mit weniger als 3 h zu erreichen und so groß ist die ehemalige Finanzwachhütte nun auch wieder nicht.

Im Abstieg vom See zur Hütte müssen ich und die anderen Wanderer aber erst noch mehrfach zwei Motocrossfahrern auf dem Singletrail oder Saumpfad Platz machen, die hier durch die Gegend heizen - nun ja, ob DAS sein muß ...


Nach 8 h erreiche ich die Hütte, wo wohl gerade die Dachrenovierungsarbeiten für heute eingestellt werden.
Eine sehr freundliche Frau kommt gleich auf mich zu, als sie mich mit meinem großen Rucksack auf die Hütte zugehen sieht, und mit einer Offerte von Abendessen, Dusche, Zimmer und Frühstück punktet sie bei mir natürlich gleich. Italy, 12 points :-)


Letztlich bin ich mal wieder der einzige Gast auf der Hütte. Wie kommt's ?




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