Vom Dorf Stilfs geht es bei Sonne los in die erste (und letzte) Steigung für heute hoch zum Stilfser Joch, dem mit 2757 m höchsten italienischen und zweithöchsten befahrbaren Gebirgspaß der Alpen.
Ob er bzw. der weg dorthin auch schon begehbar ist, war vorab leider nicht herauszubekommen, die 9 verfügbaren Webcams nur bedingt hilfreich und die Strecke ist tagsüber immer nur Stück für Stück einsehbar.
Aber erstmal losgehen. Das gestaltet sich schon kurz nach Stilfs als schwierig: Weggabelung und keine Markierungen oder Wegweiser. Karte und GPS helfen hier noch weiter, aber der weitere Weg bis zu einem Wildtiergehege entlockt mir etliche Flüche, da Wege teilweise nicht in Karten existieren und ganz schlecht markiert sind.
An sich kein Problem, einfach GPS-Trackaufzeichnung der entsprechenden Etappe der Roten Via Alpina aufrufen, auf der ich mich ja seit heute gen Westen gehen will. Aber was ist das ?
Den angeblich hochqualitativen Track von der offiziellen Webseite muß ein blinder Schimpanse mit verbundenen Augen mit Dartpfeilen auf Tagesetappenlandkarte skizziert haben. Der Track trifft nicht mal annähernd irgendeinen Weg. Das kann ja noch heiter werden, falls die Etappen alle so unbrauchbar sind - einige mit nur wenigen hundert Punkten waren mir ja schon zu Hause aufgefallen.
Ab der per Sessellift erreichbaren Furkelhütte begegnen mir zunehmend wieder Wanderer. Um fünf vor zwölf treffe ich just auf ein deutsches Ehepaar, die den Goldseeweg herab kommen. Auch wenn es im übertragenen Sinne noch nicht so weit ist, wie die Uhr zeigt, doch gleich mal nachfragen, ob sie vom Joch kommen und wie die Weg-/Schneeverhältnisse im oberen Bereich so sind. Grünes Licht ! Prima :-)
Plötzlich kommt ein Kanonendonner von der gegenüber liegenden, östlichen Talseite. Nach 99 Jahren kann doch kein italienischer Kanonier mehr in der Trafoi-Eiswand am Abzug sitzen !?
Kurz danach prasseln die ersten Schrapnell auf mich ein, also schnell Helm auf und Splitterschutzweste an - danach kann mir der Hagel auch gar nicht mehr viel anhaben.
Nur an den ungeschützten Fingern ist es noch unangenehm. Da hat mir die perfekt ausgestattete und in vielerlei Sprachen freundlich grüßende Gruppe Japaner noch etwas voraus: durchgehend blendend weiße Baumwollhandschuhe. Hole meine schwarzen zum Kontrast jetzt aber nicht raus, die wären auch nicht ganz so schick :-)
Letztlich geht der Aufstieg bis gut 2900 Meter. Wenn man bedenkt, daß die höchste Kanone des ersten Weltkriegs unweit von hier am Ortler noch 1000 Meter höher stand - und nicht nur im Sommer ...
WAHNSINN.
Da ist der Wahnsinn unten am Paß, auf den ich mittlerweile hinab blicke, mit all den Radlern, Motorradfahrern, Ausflüglern, Skifahrern, Läden und Hotels schon wieder relativ.
Trotzdem bin ich froh, daß ich den Trubel mal wieder nur quere (schon auf dem Weg nach Venedig bewährt und auch bei dieser Tour schon am Wurzen- und Plöckenpaß praktiziert) und zum etwas vom Paß entfernen Tagesziel Tibethütte weitergehe. Gute Wahl, Erlangen !
Bin immer noch begeistert dabei, dir auf deinem Weg ein wenig Gesellschaft zu leisten. Tag 043 - das ist für mich unfassbar. Was für eine Leistung! Alles Gute weiterhin auf deinem "Spaziergang" - ich gucke immer mal wieder rein und habe bisher alles gelesen. Dankeschön!
AntwortenLöschenMan braucht nur Ziele.
AntwortenLöschenDas aktuelle Ziel ist, den Sommer zu finden. In der Lombardei scheint er sich bisher auch nicht versteckt zu haben ... ;-)
Moin! Ich hoffe ja, dass die derzeitige Blogpause nicht in Zusammenhang mit Deinem Hüftknochen steht. Weiterhin alles klar bei Dir? Ich freu mich auf weitere Berichte von dem 'Spaziergang' :)
AntwortenLöschenDer Hüftknochen wird wahrscheinlich selbst zu Hause noch ein halbes Jahr Phantomschmerz ganz ohne Rucksack verbreiten, so wie ich das ignoriere.
AntwortenLöschenHintergrund der Pause war eher Verlängerung, mangelnder Empfang und mangelnde Zeit.
Heute hatte ich auch wieder etwas zu Essen, habe eine Matratze für die Nacht und hatte sogar eine heiße Dusche.
Somit eigentlich wieder alles klar :-)