Am Morgen kneife ich mich zwei Mal und dann beginnt das große Suchen: Wo ist die Sonnencreme - mir dünkt, ich hätte etwas derartiges in der Steiermark noch besessen ... Ok, ok, kleiner Scherz: Ein Griff und der Sonnenschutz ist parat, auch wenn ich ihn schon länger nicht mehr für nötig gehalten hatte.
Der Tag startet super sonnig und so geht es beschwingt mit sonniger Laune gen Westen ins Valle Febbraro. Kurz nach Ende des Fahrwegs, im Aufstiegspfad zur Borghetto-Alm die nächste positive Überraschung: Zwei Arbeiter bei Mähen und Weg frei sägen. Bravo ! - Das geht also nicht nur in Südtirol, sondern zumindest auch in dieser Region der Lombardei. Auch die andere Art und das gehäufte Auftreten von Wegweisern und die möglicherweise extra über die Grenze geschmuggelte rote und weiße Farbe war mir bereits gestern positiv aufgefallen.
Das Wetter lädt zum Verweilen, Umschauen und Fotografieren ein, aber doch bin ich etwas überrascht, daß ich am ersten Paß und höchsten Punkt für heute (Passo del Baldiscio) bereits eine Stunde Verzug im Vergleich zur Via-Alpina-Beschreibung habe, wo ich in den letzten 10 Tagen doch immer mit Pausen sogar etwas flotter als angegeben unterwegs war.
Bis zum Paß bin ich voll des Lobes für die Wegwarte, doch dann muß ich mich doch noch etwas relativieren: Dummerweise läuft hier die Grenze nicht über den Paß, sondern über einen niedrigeren Übergang viel weiter im Westen und bis dorthin gibt es Felsen, Sumpf, Murmeltiere und einen einsamen Ziegenbock, aber KEINE EINZIGE Markierung :-(
Bereits 3 m vor der Grenze waren dafür die Schweizer aktiv: Jede Menge Markierungen führen in eine technisch etwas anspruchsvollere Passage über Felsen eine Steilstufe hinunter ubd dann ist der reißende Gebirgsbach irgendwie zu queren. Ob die beiden Damen der mir entgegen kommenden Dreiergruppe deshalb obenrum schon im Bikini unterwegs waren, obwohl es mittlerweile eigentlich schon wieder recht stark und dunkel bewölkt ist ?
Dann beginnt der sehr steile Weg hinab ins Tal. Zuerst nur unangenehm zu gehen, dann aber eigentlich unbegehbar: Die Markierungen sind sehr neu und häufig, wegen umgestürzter Bäume, Felsstürzen und Überwucherung durch Sumpfpflanzen steigt das Risiko im Steilhang ins leere zu treten, zwischen nachrutschenden Koffer-großen Felsplatten eingeklemmt zu werden oder beim Durchbruch von Ästen sich einen abstehenden Aststumpf ins Bein oder den Bauch zu rammen extrem an.
Eine Alternative ist zu mittlerweile stark fortgeschrittener Stunde aber nicht in Sicht. Solche Verhältnisse habe ich in der Schweiz noch nicht erlebt :-(
Mit einer weiteren Stunde Verspätung komme ich in Pian San Giacomo an - aber wie ich an Hand der widersprüchlichen Beschreibung im Via-Alpina-Führer, der fehlenden Angabe von Unterkunftsmöglichkeiten und der fehlgeschlagenen Internetrecherche bereits vermutet hatte: Hier gab es vielleicht vor 20 Jahren mal Albergo Posta an der Straße zum St. Bernadino Paß, aber sonst gibt es hier wohl nur Wochenendhäuschen.
17:00 Uhr. Die Wolken werden immer dunkler. Keine Zeit, lange darüber nachzudenken, daß auch die Recherche für Mesocco, dem nächsten Ort gen Süden (1:15 h entfernt) kein Ergebnis gebracht hatte, sondern lieber schnell weiter. Unterwegs mustere ich schon Heuschober und markiere mir Wegpunkt von überdachtem Gang am Sportplatz, bevor die bzgl. IRGENDEINER Übernachtungsmöglichkeit ziemlich ratlosen Damen in der ersten Bar doch noch einen vagen Tipp für mich haben. Und wirklich: In der zweiten Bar führt man mich, nach Sicherstellung, daß ich alleine bin und nur eine Nacht bleibe, ins Souterrain in einen großen Raum mit einem Billardtisch, einer Couch, zwei Holzstühlen, einem Lehnstuhl, Neonröhrenbeleuchtung, einer alten Pfaff-Nähmaschine ... und einem einsamen alten Bett.
Quo vadis Via Alpina ?
Auf Wiedersehen ?
Ich hatte bereits am Tag zuvor beschlossen, bereits hier gen Bellinzona durchs Tal abzubiegen, statt eine Etappe später in Selma (endlich mal wieder eine Herausforderung für die Bodenkontrolle ;-). Eine gute Entscheidung, insbesondere auch wenn man das Wetter am Folgetag berücksichtigt ...
Beim Abendessen, ca. 30 min nach meiner Ankunft, geht draußen die Welt unter: Sommergewitter.
Diese Projekt sollte nicht als Beschäftigungstherapie für die Bodenkontrolle missverstanden werden... ;-)
AntwortenLöschenJa, ja, das klingt ja fast nach Meuterei und demnächst fällt die Bodenkontrolle in Erlangen wegen Urlaub auch noch mehr als eine Woche aus.
AntwortenLöschenMuß ich im Zweifelsfall doch auf das nette Angebot von Peter aus München zurück kommen oder im Notfall würde der seelenverwandte Pepi bestimmt auch einspringen :-)
Grüße an die Daheimgebliebenen,
Kai.
Aber sicher doch.
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