Sonntag, 17. August 2014

Tag 074: Abseilen aus dem Wolkenkratzer

Von Fondo geht es durch den Wald rechts des Flußes leicht bergauf gen Nordwesten. Die Baumgrenze ist bald erreicht und wird durch etwas Blockwerk am Übergang zum Almgelände abgelöst.


Bei traumhaftem Bergwetter geht es von Alm zu Alm. Die meisten sind allerdings längst verfallen oder zumindest verlassen, obwohl oder gerade weil man den Eindruck hat, wie in einem vielgeschossigen Haus, quasi alle 100 Hm eine Alpe zu passieren.

Kurz vor dem Aussichtsbalkon, wo ich dann beim Erreichen vorgezogene Mittagspause einlegen und die Mädels passieren lassen werde, beobachte ich noch ein braunes Tier. Es war ein Reh, obwohl ich schon sehr erstaunt war, in dieser Höhe, soweit jenseits der Baumgrenze, im offenen Gelände eines zu sehen.

Kurz danach kommen mir die ersten aus der anderen Richtung entgegen: Ganz schön was los heute, drei Franzosen zwischen den letzten beiden Almen und ein einzelner, bereits ziemlich fertiger Wanderer im Anstieg auf der Gegenseite werden noch folgen.

Apropos letzte Almen: Als der Übergang Bocceta delle Oche mit gut 2400 m bereits deutlich sichtbar und nur noch weniger als 300 Hm aufzusteigen sind, kommt ein Wegweiser, der noch 1,5 h bis dorthin ausweist. Unglaublich. Und völliger Quatsch.
Nach 45 min erreiche ich den Sattel, wo Rani und Maike bereits seit 20 min Pause machen. Jeff ist seit ein paar Minuten bereits im Abstieg.


Wolken sind zwischenzeitlich in die Täler gezogen, so daß es dort oben nicht sonderlich gemütlich ist und ich lieber gleich weiter gehe.

So schön der Aufstiegsweg war, so unangenehm ist der Abstieg: Erst noch ganz gut durch etwas Blockwerk, Felsen und nicht gleichmäßig zu gehen, dann steiler und trotz Trockenheit nasser und teils schmieriger Pfad über Schluchtabgrund hinab. Einige Male geht es über Felsstufen, wo alte Kletterseilabschnitte zum Abseilen angebracht sind. Außer blindem Vertrauen hilft da wohl nur Augen zu und durch.


Für 300 Hm Abstieg im schwierigen Gelände brauche ich so fast 1,5 h.

Am Ende der heiklen Passagen kommen noch 200 m großes Blockwerk, dann kann ich erstmal durchschnaufen. Als ich die Mädels in den Blöcken erspähe, kann es nach der Pause weiter gehen.

Der Schlußabstieg führt in Serpentinen unter einer lautstark surrenden Starkstromtrasse hinunter nach Piamprato. Währenddessen fängt es an zu regnen :-(

Ich packe die Regen-empfindlichen Sachen weg, die Regensachen bleiben aber aus Trotz im Rucksack, sind ja nur noch 10 min bis in den Ort.

Heute schlafen wir vier erstmals gemeinsam in einer alten Schule. Das Posto Tappa ist im ersten Stock über eine Außentreppe zu erreichen und besteht aus einem Lager mit Stockbetten für 6 Personen und 2 schlanke, Platzangst-befreite Kletterer mit Schnappatmung in der dritten Bettenetage unter der Decke, einem Bad mit Dusche und WC sowie dem Vorraum, der sogar Küchenzeile und Heizlüfter enthält. Mit letzterem wandeln wir den Vorraum schließlich über Nacht in einen Sauna-ähnlichen Trockenraum um :-)

Nachteil am gut ausgestatteten und vor allen Dingen auch gepflegten und sauberen Posto Tappa mitten im Dorf: Wir müssen am Abend und am nächsten Morgen durch den Dauerregen zum Agriturismo am Ortsausgang.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen